Dynamische Integration im Arbeitsfeld Menschen mit Behinderung

Die Dynamische Integration als Bewegungslehre ermöglicht es Menschen mit Behinderung über Aufmerksamkeit und Differenzierung in Bezug auf den eigenen Körper, ihr Körperschema zu erweitern.

Die Kommunikation erfolgt nonverbal. Über die sensorische Lenkung der Aufmerksamkeit an eine Stelle, erfährt der Mensch sich selbst. Er lernt, den Grad von Muskelspannung zu unterscheiden und erlangt so Kontrolle. Bewegungselemente werden bewusst. Der erfahrene Lehrer nimmt Bewegungsimpulse auf und verbindet sie so, dass sie zusammenhängend ins Bewusstsein gelangen.

Dynamische Integration als Methode der basalen Bildung

Eine Lektion in Dynamischer Integration ist basale Bildung für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung.

Sie ermöglicht über bewusste Körper- und Bewegungserfahrung die Initiierung von Bewegung oder eine Verfeinerung der bestehenden Bewegungsmuster für größere Effizienz. Genutzt werden dazu die eigenen Strategien des menschlichen Gehirns, neuronale Verknüpfungen zu erstellen, um Entwicklung zu ermöglichen und voranzutreiben.

Im Focus unserer Betrachtung stehen Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen. Ihrer besonderen Situation geschuldet haben diese als Kinder seltener die Gelegenheit eine gutes und umfassendes Körperschema aufzubauen und ihre Körpermotorik zu entwickeln. Es ist bekannt, dass Spastik und stundenlanges Sitzen im Rollstuhl differenzierte Wahrnehmung beeinträchtigen und zum Verlust von Körperwahrnehmung führen, was wiederum Spastizität begünstigt. Vermeintlich entstehen Kontrakturen, der Mensch ist starr und behält seine Rollstuhl Sitzposition auch außerhalb, zum Beispiel im Bett, bei.

Dies verhindert zunehmend Eigeninitiative und Selbstbestimmung. Assistenzbedarf und Abhängigkeit erhöhen sich.

In unserer Arbeit mit schwer mehrfachbehinderten Menschen setzten wir bei dem an, was möglich ist und interessiert. Dies erfordert direkteste Begegnung und ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich nehme wahr, spüre, empfinde, höre, sehe und spiegle.

Konkret erschließe ich mir über Bewegungsbeobachtung und Wahrnehmung die Äußerungsweisen und -möglichkeiten meines Gegenübers, seien sie auch noch so zart oder überschießend. Ich entdecke Interessen und Wichtigkeiten. Sie teilen sich über Bewegung mit. Bewegung der Augen, die schneller wird oder aufhört, über ein spürbares inneres Innehalten, über einen Zuwachs an Spannung oder Entspannung.

Wir beginnen dort, wo die Klient*in steht. Wir nehmen das, was möglich ist und versuchen Bekanntes zu variieren, indem wir es anders, besser, schlechter machen. Oder wir versuchen uns gleich am Unmöglichen und nutzen die oft ungeheure Motivation, die eine Initialbewegung ermöglicht. Damit ist der erste Schritt geschafft. Manchmal möchte sich jemand einfach im Bett umdrehen können. Oder den Lifter einmal selbst bedienen, sich an der Nase fassen, die Zahnbürste selbst in die Hand nehmen.

Unser Gegenüber erfährt nicht nur Zuwendung und Achtsamkeit, sie/er erfährt sich selbst, weil ein Teil der Kunst darin besteht, die Aufmerksamkeit der Klient*in auf das zu lenken, was sie gerade macht.

Im heilpädagogischen Kontext spreche ich hier von geteilter Aufmerksamkeit und direkter, sensibler Responsivität auf Bewegungsäußerungen im Kontext physiologischer Bewegungsdynamik.

Der Mensch mit Behinderung erlebt sich selbsttätig und selbst wirksam und äußert dies mit einer verstärkten Aufmerksamkeit. Die Zeichen hierfür sind universell und können beobachtet werden. Die Handlungsfähigkeit, erlebt über nonverbalen Responsivität, führt zur Handlungsbereitschaft und gewährleistet positive Wechselwirkungen für Verbesserung in diesen Bereichen.

Meine Erfahrungen mit schwer mehrfach behinderten Menschen zeigte mir Auswirkungen unserer Körperarbeit auf viele Ebenen: Die Perspektive tätig sein zu können in bedeutender Lebenswelt, macht Mut, bringt Freude, Eigeninitiative und den Ehrgeiz, sich mehr von sich und der Welt zu erobern.

Auch Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten profitieren davon. Erklärungen können in der Gehirnforschung, in der Psychologie, der Entwicklungspsychologie gefunden, oder über das bio-psychosoziale Modell nach Fröhlich-Gildhoff nachvollzogen werden.


Sabine Mansoory

DIESE WEBSEITE WURDE MIT ERSTELLT